Ausbildung – Lage auf dem Ausbildungsmarkt

Azubis werden allmählich zur Mangelware

Hemer. Eine insgesamt positive Bilanz des Ausbildungsjahres 2015/16 haben die Bundesagentur für Arbeit sowie die mit der beruflichen Ausbildung befassten Institutionen und Verbände für den Märkischen Kreis gezogen. Bei einer Pressekonferenz im Forum der Firma Verfuß in Hemer wurde allerdings deutlich, dass es trotz aller erfreulichen Nachrichten auch noch hartnäckige Problemfelder zu beackern gibt. Einig waren sich alle Teilnehmer der Gesprächsrunde vor allem darin, dass die duale berufliche Berufsausbildung in Schulen und Berufskollegs zwar ein Erfolgsmodell ist, aber von vielen Jugendlichen und deren Eltern leider nicht als die große Lebenschance wahrgenommen und genutzt wird, die sie eigentlich darstellt.

Insgesamt 3216 Bewerbungen standen 3119 gemeldete Ausbildungsplätze zur Verfügung, rein rechnerisch also fast ein Gleichgewicht. Obwohl die Zahl der Schulabsolventen zurückgeht, haben sich mehr Bewerberinnen und Bewerber für Ausbildungsplätze in Betrieben gemeldet, so Sandra Pawlas, Chefin der Agentur für Arbeit Iserlohn. Allerdings – und das ist die Kehrseite der Medaille – konnten 367 dieser Stellen leider nicht besetzt werden, fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor.

Fehlende soziale Kompetenz ist zunehmendes Problem

Die Ursachen für diese Diskrepanz sind nicht neu. Zum einen ist für etliche der potenziellen Azubis der Wunschberuf im Angebot nicht enthalten, zum anderen genügt die Qualifizierung der Bewerber nicht immer den Ansprüchen der Betriebe. Dabei geht es offenbar gar nicht in erster Linie um schulische Leistungen und intellektuelle Fähigkeiten der Jugendlichen, sondern oft schlichtweg um mangelnde soziale Kompetenzen wie Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit oder Einsatzbereitschaft, wie nicht nur Burkhard Rohländer, Obermeister der Baugewerken-Innung und Diplom-Ingenieur bei Verfuß betonte.

Volker Riecke, Geschäftsführer des Jobcenters Märkischer Kreis, beklagte zudem die Unentschlossenheit von Jugendlichen, die überhaupt keine Vorstellungen entwickeln können oder wollen, was sie werden wollen. Der Beratungsbedarf und damit der Aufwand für das Jobcenter nehme dadurch erheblich zu, so Riecke, zumal immer mehr junge Leute keine Unterstützung ihrer Eltern bei der Zukunftsplanung bekommen. Riecke: „Das ist ein echtes Problem.“ Er warnte davor, die Entscheidung der Berufswahl immer wieder hinauszuschieben, um erst einmal noch ein oder mehrere Jahre irgendeine Schule zu besuchen. Für manche Jugendliche sei ein höherer Bildungsabschluss der richtige Weg, für andere ergäben sich daraus aber keine nachhaltigen beruflichen Perspektiven.

Auch Dirk Jedan, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft, unterstrich, dass Schulnoten nur bedingten Aufschluss über die Qualifizierung eines Auszubildenden zulasse: „Im Handwerk interessiert es uns weniger, woher ein Azubi kommt, sondern wohin er will. Überhaupt übte Jedan Kritik an der übertriebenen Akademisierung der Gesellschaft: „Da wird mehr Masse geschaffen als Klasse.“ Allerdings räumte auch Jedan ein, dass Auszubildende mit mangelnder Sozialkompetenz den Handwerksbetrieben Probleme bereiten. Ebenso wie zuvor schon Sandra Pawlas nahm aber auch Michael Hermund, Leiter Arbeitsmarktpolitik des DGB-Bezirks Ruhr-Mark, die Unternehmen in die Pflicht, vom „Wunschauszubildenden, möglichst mit Abitur“ Abschied zu nehmen und es häufiger auch einmal mit einem Hauptschüler zu versuchen.

MK ist Ausbildungsmotor im Bezirk der SIHK

Die hohe Zahl von unbesetzten Stellen bereitet auch der Geschäftsführerin des Märkischen Arbeitgeberverbandes, Dr. Bettina Schwegmann, Sorgen, obwohl sich die Betriebe aus ihrer Sicht durchaus schon auf schwächere Schüler eingestellt haben. Schon während der Schulzeit seien Berufserkundungen zur Entscheidungshilfe der Jugendlichen über die bereits bestehenden Praktika hinaus äußerst hilfreich und würden von den Unternehmen gefördert. Potenziale sieht Bettina Schwegmann hingegen auch darin Studienabbrecher für betriebliche Ausbildungsgänge zu gewinnen.

Als Fachbereichsleiter Berufliche Bildung der SIHK stellte Thomas Haensel klar, dass sich die Situation im Märkischen Kreis vergleichsweise hervorragend darstelle: „Ich bin zum Beispiel froh, dass ich hier nicht die Zahlen für die Stadt Hagen oder den Ennepe-Ruhr-Kreis kommentieren muss. MK ist der Ausbildungsmotor in unserem Kammerbezirk.“ Insgesamt sei es aus Sicht der SIHK aber positiv, dass im Berichtsjahr 2015/16 gleich 56 neue Ausbildungsbetriebe gewonnen werden konnten.

Neben all den Fachleuten und Experten saßen gestern auch zwei der Betroffenen mit am Tisch: Leon Johann und Dustin Beineke, die in der Firma Verfuß zurzeit eine Ausbildung zum Technischen Zeichner beziehungsweise Maurer absolvieren. Beide schilderten in wenigen Sätzen, wie sich ihr persönlicher Berufswunsch entwickelt hatte bis hin zum Entschluss sich für eine beruflichen Ausbildung bei Verfuß zu bewerben. Eine aus ihrer Sicht vollkommen richtige Entscheidung, so die beiden Azubis.

Quelle: DerWesten 03.11.2016
www.derwesten.de/staedte/hemer/azubis-werden-allmaehlich-zur-mangelware-id12325061.html