Bericht im IKZ – Unternehmer-Porträt

Unternehmer-Porträt: Ein Organisator mit Lust am perfekten Bauen

In einer neuen Serie stellt der IKZ unter dem Titel „Termin beim Chef“ eine Auswahl von Lenkern mittelständischer Unternehmen in Hemer vor. In diesem Rahmen entstand folgender Bericht, der am 14.07.2016 im IKZ veröffentlicht wurde:

„Hemer. Im Gespräch haben wir versucht herauszufinden, was ihre Ziele sind, woher sie ihre Motivation nehmen und wo sie Prioritäten in ihrer Arbeit setzen.

Als Georg Verfuß im Jahr 1982 das Familienunternehmen nach dem plötzlichen und frühen Tod seines Vaters Hugo übernahm, hatte er keineswegs das Gefühl, sich als Erbe in ein gemachtes Nest zu setzen. Die Baubranche steckte damals in einer schweren Krise, die vor der Firma Verfuß nicht Halt machte. Vor dem damals gerade einmal 27-jährigen Geschäftsführer türmte sich ein Berg von Problemen und Arbeit, auf den sich Georg Verfuß aber mutig stürzte. Allerdings nicht blind und tollkühn. „Bevor ich mich zur Übernahme der Firma entschloss, hatte ich mir von vielen Seiten Rat geholt – von Bänkern, Juristen, beim Steuerberater, bei der Handwerkskammer und guten Freunden. Danach hatte ich das Gefühl, es schaffen zu können.“

Und Georg Verfuß hat es geschafft. Die Krise der 80er Jahre wurde durch gemeinsame Anstrengung der damals schon fast hundertköpfigen Belegschaft und ihres jungen Chefs gemeistert. Die Wende 1989 und anschließende deutsche Wiedervereinigung bescherte dann einen heftigen, aber vorübergehenden Bauboom. Etwa 1994 folgte der nächste katastrophale Einbruch. In dessen Folge schrumpfte die Zahl der Arbeitsplätze in der deutschen Baubranche um die Hälfte. Die Krise erwies sich diesmal als noch hartnäckiger als die der 80-er Jahre und hielt bis etwa 2007 an, erinnert sich Georg Verfuß. „Auch für uns war sie zeitweilig existenzbedrohend.“ Viele Mitbewerber auf dem heimischen Markt haben damals die Krisenzeiten nicht überstanden. Noch bis in die 80er Jahre gab es in Hemer und Umgebung Dutzende von Bauunternehmen, von denen nicht viele übrig geblieben haben. Die Firma Verfuß kann und darf sich heute als Platzhirsch fühlen.

Ein Erfolg den sich Georg Verfuß aber nicht allein ans Revers heften mag. Als Geschäftsführer fühlt er sich an der Spitze eines gut funktionierenden Teams von aktuell 90 Mitarbeitern. Weniger als die Hälfte davon arbeiten unmittelbar auf den Baustellen, der Rest sind Architekten, Bauzeichner, Ingenieure, Kaufleute und Betriebswirte, allen voran der zweite Geschäftsführer Henning Treude, der dem Unternehmen bereits seit 25 Jahren angehört.

Technische Fragen überlässt er seinen Fachleuten
Georg Verfuß hat seinerzeit nach dem Abitur auf dem Woeste-Gymnasium in Aachen Bauingenieurwesen studiert. Aber mittlerweile ist es nicht mehr die Technik, die ihn in erster Linie reizt. „Ich organisiere gern und sehe da auch vor allem meine Stärken. Fragen der technischen Planung und der praktischen Ausführung überlasse ich in der Regel unseren Fachleuten.“ Das bedeutet aber nicht, dass sich Georg Verfuß aus diesen elementaren Bereichen völlig heraushält. Denn das Entstehen von Bauwerken, das praktische Umsetzen von Plänen und zunächst theoretischen Konzepten fasziniert ihn durchaus. „Bauen übt für mich immer noch einen ungeheuren Reiz aus. Ich mische mich dann natürlich auch steuernd in die Abläufe ein.“ Ein Hochgefühl ist es für Georg Verfuß, wenn er am Ende durch ein fertiges Gebäude geht und sich sagen kann: „Wir haben die Wünsche des Bauherrn, also unseres Kunden, erfüllt.“

Keinesfalls erliegt Georg Verfuß dem Trugschluss, dass ohne ihn nichts laufen würde. Wenn er zum Beispiel Urlaub macht, kann er zumindest für eine Zeit völlig loslassen. „Ich schaffe es durchaus, für eine Woche abzuschalten und mich einmal gar nicht um die Firma zu kümmern oder mich im Büro zu melden. Wenn der Urlaub länger dauert, rufe ich allerdings schon mal an, und erkundige mich nach dem Stand der Dinge.“ Im Notfall wissen seine Leute zwar immer, wie und wo sie ihren Chef kontaktieren können, grundsätzlich aber ist die ständige Erreichbarkeit für Georg Verfuß eher eine Last als eine Lust, vor allem dann, wenn er abschalten und frische Kräfte tanken möchte.

Das macht er außerhalb von Urlaubsreisen – zusammen mit seiner Frau besucht er besonders gern reizvolle Städte – zu Hause bei der Gartenarbeit oder im Gespräch mit seinen Kindern. Sein Sohn Christopher studiert ebenfalls Bauingenieurwesen und möchte einmal in die Fußstapfen seines Vaters treten. Der 60-jährige Georg Verfuß denkt zwar noch längst nicht ans Aufhören, dass die Weichen für die Zukunft des Familienunternehmens aber bereits gestellt sind, lässt ihn gelassen und zuversichtlich nach vorne blicken.

Das Ehrenamt hat einenfesten Platz in seinem Alltag
Auch in einem weiteren Punkt führt Georg Verfuß die Familientradition fort – durch ehrenamtliches Engagement. Sein Vater und Großvater waren Kommunalpolitiker und saßen beide im Hemeraner Stadtrat. Georg Verfuß hält sich aus der Tagespolitik zwar heraus, bringt seine Erfahrung und sein Wissen als Vorsitzender der Wirtschaftsinitiative Hemer für das Wohl seiner Heimatstadt ein. Zudem ist der gläubige Katholik Mitglied des Kirchenvorstands der Christkönig-Gemeinde und in diesem Gremium – wenig überraschend – für bauliche Fragen zuständig.

Was die kommenden Jahre für seine Firma bereit halten, weiß Georg Verfuß nicht. Nur eines steht für ihn felsenfest: „Die nächste Baukrise kommt bestimmt.“ Doch der Chef zweifelt nicht daran, dass auch sie mit den richtigen Strategien gemeistert werden kann. Solch richtungweisende Entscheidungen waren es zum Beispiel, vor zehn Jahren ein zweites Geschäftsgebiet im Rheinland aufzumachen oder – nach der Wende – mit Firmen in den neuen Bundesländern zu kooperieren. Eine Karte, auf die Verfuß auch für die Zukunft setzt, ist die Sanierung von Altbauten, insbesondere solchen, die unter Denkmalschutz stehen. „Wir setzen da unter anderem auf Partner aus Polen, die in diesem Metier große Erfahrung und viel Fachwissen haben.“

Georg Verfuß wagt keine Prognose, wann er irgendwann beginnen wird, sich langsam aus dem operativen Geschäft zurückzuziehen. Bis dahin hat er aber den Ehrgeiz, noch durch viele fertige Gebäude zu gehen und zu urteilen: „Alles richtig gemacht!“

Reinhard Köster